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Being agile als Erfolgsfaktor und Herausforderung

von Alex Herrmann

Der zweite Club der Markenfreunde fand pandemiebedingt digital statt: Über Zoom gaben Michael Pfäffli (AXA), Fabian Kienbaum (Kienbaum Consultants) und Oliver Busch (Facebook) Einblicke darin, wie Agilität und Identität in einem dynamischen Umfeld zusammenspielen. Sie beleuchteten unterschiedliche Facetten und erklärten, wie Unternehmen mit den Herausforderungen auf dem Weg zur agilen Organisation umgehen können.

Unsere heutige, komplexe Welt erfordert ein rasches Um- und Mitdenken in Unternehmen. Und zwar in der ganzen Organisation: Führungskräfte sind genauso gefordert wie Mitarbeitende. Dabei sollte es viel mehr um ein «being agile» und nicht nur um ein «doing agile» gehen. Es gilt also, die zentralen Aspekte der Agilität wirklich zu leben, statt diese nur an der Oberfläche mit den neusten agilen Praktiken anzuwenden. Doch die Entwicklung einer agilen Unternehmenskultur ist nicht einfach. Unternehmen sehen sich häufig mit Veränderungswiderständen konfrontiert, mit fehlender Orientierung und hinderlichen Werthaltungen.

Wenn zwei unterschiedliche Welten aufeinanderprallen – Grenzen der Agilität in einem traditionellen Unternehmen

Michael Pfäffli ist Transformation Lead und People Developer im Schadensbereich der AXA. Ein Teil der Versicherung funktioniert heute bereits komplett agil. Bei der AXA ist der Entschluss, eine agile Organisation aufzubauen, aus einer Grundüberzeugung entstanden. Doch was heisst es, diese moderne Form, Arbeit zu gestalten, auf ein traditionelles Unternehmen anzuwenden?

Michael Pfäffli ist davon überzeugt, dass der immer noch häufig praktizierte top-down- Führungsstil in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert. Unsere (Arbeits-)Welt ist zu komplex geworden. In einer agilen Struktur hingegen arbeiten die Mitarbeitenden weniger isoliert, sie sind stärker in Themen eingebunden und können so schneller auf sich verändernde Marktsituationen reagieren. Und somit auch kundenorientierter arbeiten.

Dennoch – bei der AXA sind nach wie vor Grenzen vorhanden und die Agilität zieht sich noch nicht durch die ganze Unternehmensstruktur hindurch. Schliesslich ist das Unternehmen historisch bedingt eher hierarchiegeprägt und verfügt über viele standardisierte Prozesse, wie das in Versicherungen üblich ist. Das bedeutet: Um Agilität auf allen Ebenen zu leben, braucht es viel Ausdauer, Zeit, Aufwand und Energie. Reibungsflächen entstehen, weil zwei ganz unterschiedliche Welten aufeinanderprallen: die traditionelle und die agile. Es gilt also, diese beiden Welten Schritt für Schritt einander anzunähern – und so eine Kultur, eine Identität zu schaffen. Grenzen kann man nicht sprengen, man muss sie langsam feilen.

Das fängt schon in der Rekrutierungsphase an: Für ein vielseitiges Unternehmen wie die AXA« ist die Wahl von Mitarbeitern mit dem richtigen Mindset zentral. Nämlich solche, die das Spannungsfeld zwischen Tradition und Agilität aushalten. Denn nicht alles passt für jeden. Gibt man den Mitarbeitenden jedoch genügend Gestaltungsfreiraum und Mitsprache in ihrer täglichen Arbeit, fühlen sich diese freier und können sich besser an unsere Realität annähern. Auch in denjenigen Bereichen der Versicherung, zu denen Agilität nicht besonders gut passt, weil sie starren Abläufen unterworfen sind. Dies unterstützt am Ende das Erfahren unserer Kultur und die Identifikation mit unserem Unternehmen, das sich auf einem guten Weg zu mehr Agilität befindet.

 

Die Bedeutung der Identität für eine agile Unternehmenskultur – Zugehörigkeitsgefühl und Sicherheit für mehr Eigenverantwortung

Fabian Kienbaum ist Geschäftsführer und Chief Empowerment Officer der Personal- und Managementberatung Kienbaum. Er begleitet Unternehmen auf dem Weg zu mehr Zukunftsfähigkeit und arbeitet selbst daran, das eigene Unternehmen agiler zu machen. Doch wie schafft man es, bei aller Agilität nicht die Orientierung zu verlieren und welche Rolle spielt dabei eigentlich die Identität?

Sie ist überlebenswichtig, findet Fabian Kienbaum. Er ist überzeugt, dass der Ursprungsgedanke bei der Firmengründung in der Gegenwart Identität und Orientierung stiften kann. Auch Symbole, die in Bezug mit der Gründung stehen, helfen Mitarbeitenden, sich mit dem Unternehmen zu identifizieren und ein Gefühl für das richtige Verhalten zu entwickeln. In Kienbaums Personal- und Managementberatung wurde das Fahrrad seines Grossvaters zu einem solchen Symbol – auch 75 Jahre nach der Gründung.

Können sich Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren, fühlen sie sich nicht nur zugehörig sondern auch sicher. Es entsteht ein starker Zusammenhalt. Wenn zusätzlich ein steter Austausch zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeitenden stattfindet – und ihnen vertraut wird –, bringen sie sich ein und handeln eigenverantwortlich. Das ist die Voraussetzung dafür, als Unternehmen gemeinsam zu wachsen und agil zu bleiben während man seinem Purpose folgt. Wo man sich hinbewegen will, hat einerseits mit der Organisation, andererseits mit jedem Mitarbeitenden selbst zu tun. Denn das Individuum wächst stets mit. Mentale Agilität in einer Organisation ist heute überlebenswichtig. Denn nur so reagiert sie effektiv auf die Ungewissheit und die schnellen Wechsel, die uns heute umgeben.

Identität, Vertrauen und Eigenverantwortlichkeit als Fundament für die Agilität. Gemäss Kienbaum bringen diese Punkte noch weitere Vorteile mit sich: Eine gesunde Stabilität in einem Unternehmen fördert die Resilienz jedes Einzelnen. Dafür ist gleichermassen die mentale Agilität jeder Person ausschlaggebend. Mitarbeitende müssen sich heute schnell auf neue Situationen umstellen können. Besonders in der Covid-19-Zeit wird die mentale Agilität kräftig auf den Prüfstand gestellt: Alle arbeiten plötzlich von zu Hause aus, das klassische Büroleben ist «in Pause.» Wie kann es gelingen, die Menschen trotz Remote Work im physischen Sinne wieder zusammenzubringen? Eine grosse Herausforderung für die Zukunft.

 

Gelebte Agilität ist nicht einfach, aber aufregend – Fragen stellen, Fehler machen und gemeinsam Neues schaffen

Facebook liegt die Agilität in der DNA. Das weiss Oliver Busch, Verantwortlicher für den DACH-Raum, zu schätzen. Denn bei Facebook wird Agilität, seit das Unternehmen in den Kinderschuhen steckt, gelebt. Tag für Tag. Das bedeutet, dass man sich jeden Tag gegenseitig herausfordert. Dass man hinterfragt, kritisiert, überdenkt. Jeder darf mitentscheiden. Bei Entscheidungen ist jedoch wichtig, dass diese auf substanziellen Fakten basieren. Steht eine Neuerung im Fokus oder ist ein Kurswechsel nötig, wird radikal priorisiert. Alle Kräfte werden daraufhin gebündelt und alles andere ist nebensächlich. Zur Agilität bei Facebook gehört zudem, Dinge entschlossen zu beenden, wenn diese nicht zielführend sind.

Diese gelebte Agilität und Fehlerkultur ist einerseits positiv: Sie stellt den Kunden in den Fokus. Die Mitarbeitenden fühlen sich ernst genommen und reden mit. Andererseits müssen die Mitarbeitenden die Bereitschaft haben, mitzuentscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Und manchmal ist diese gelebte Agilität stressig und intensiv. Es fällt nicht allen gleich leicht, dieses Spannungsfeld auszuhalten. Schenkt die Führungskraft ihren Mitarbeitenden jedoch das notwendige Vertrauen und engagiert sich selber mit voller Kraft in den Projekten, ist der Weg zu einer lebendigen, dynamischen Unternehmenskultur geebnet.

Führt zu viel Agilität zu Chaos? Nein, wenn klare und simple Ziele gesteckt werden nicht – ist Busch überzeugt. Es klingt ganz einfach: jeden Tag Nein sagen zu den nicht so wichtigen Sachen und die wichtigen beibehalten.

 

Agilität braucht Zeit, Geduld – und vor allem Mut.

Der Club der Markenfreunde 2020 hat es gezeigt: Agilität bringt viele positive Ergebnisse, gleichzeitig jedoch auch Herausforderungen mit sich. Der Aufbau eines erfolgreichen, agilen Unternehmens braucht Zeit und Geduld. Aber vor allem braucht es Mut. Mut, gestandene Prozesse zu hinterfragen. Mut, seinen Mitarbeitenden zu vertrauen und ihnen neue Aufgaben in die Hände zu legen. Mut, es einfach mal anders zu machen.

 

Über den Club der Markenfreunde

Der Club der Markenfreunde will Menschen und Unternehmen verbinden, die uns Nahe stehen und die sich leidenschaftlich mit ganzheitlicher Markenführung auseinandersetzen. Die Veranstaltungsreihe will einen persönlichen und inspirierenden Rahmen zur Diskussion von relevanten Themen schaffen. Sie will neue Perspektiven eröffnen und Antworten auf aktuelle Fragestellungen liefern. Sie will den Dialog fördern und ein Netzwerk von Markenfreunden bauen. Hierfür laden wir hochkarätige Speaker und interessante Teilnehmer ein. Und setzen alles daran, um ein offenes und familiäres Ambiente zu schaffen.

Vor 10 Jahren hat unsere Schwesterfirma in Berlin, Sasserath Munzinger Plus, erstmals einen Club der Markenfreunde durchgeführt. Inzwischen findet die Veranstaltung an verschiedenen Orten statt und bringt Markenfreunde auch über Landesgrenzen hinweg zusammen.