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Corona und die Profilierung als Employer Brand

von Sina Frank

Es sind unsichere Zeiten für Unternehmen und Menschen. Sorgen um die persönliche wirtschaftliche Situation, den Arbeitsplatz und die eigene Gesundheit prägen unsere Welt. Aber in vielerlei Hinsicht wird die Notsituation auch als Chance gesehen – als Treiber der Digitalisierung, als Stärkung von Gemeinsinn, als «Entschleuniger» und Möglichmacher von mehr Achtsamkeit. Die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern wird in dieser Zeit getestet – von beiden Seiten ist Vertrauen, Transparenz und Empathie gefragt. Allerdings fühlen sich, dem Gallup Engagement Index von 2019 zufolge, nur 15% der Mitarbeiter emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Das stellt einen alarmierenden Handlungsbedarf dar. Gerade jetzt besteht die Chance, diese Beziehung zu intensivieren, die Unternehmenskultur zu prägen und die Wahrnehmung als Arbeitgeber nachhaltig zu schärfen.

Der Weg in eine neue Arbeitswelt

Seit vielen Jahren wird der Weg in eine neue Arbeitswelt mit Home-Office, flexiblen Arbeitszeiten, flachen Hierarchien und agilen Arbeitsprozessen gepredigt. Schritt für Schritt haben immer mehr Unternehmen angefangen, in einzelnen Bereichen neue Arbeitsmethoden zu testen, aber im Grossen und Ganzen ist die Arbeitswelt immer noch stark geprägt von Präsentismus und hierarchischen Strukturen. Dieser langsame Wandel hat nun einen gewaltigen Push bekommen.  

Die Corona-Krise hat die Notwendigkeit geschaffen, sich mit Home-Office und digitalen Arbeitsmethoden zu beschäftigen – ob als Start-up, globaler Konzern oder mittelständisches Unternehmen. Laut einer repräsentativen Studie Mitte April (Yougov) sind fast die Hälfte der Beschäftigten (41%) von zu Hause aus tätig – und 70% davon erst bedingt durch die aktuelle Situation. Unternehmen geben ihren Mitarbeitern neue, für viele ungewohnte, Freiheiten in ihrer Arbeitswelt. Dies wird langfristige Auswirkungen haben – 68% geben an, nach der Krise nicht dauerhaft zurück ins Büro zu wollen (Yougov). Bundesarbeitsminister Hubertus Heil fordert sogar, ein Recht auf Home-Office gesetzlich zu verankern. Aber vermutlich wird Home-Office als Goodie in der Arbeitgeberkommunikation an Strahlkraft verlieren – weil das Angebot einerseits zum Hygiene-Faktor wird und andererseits auch negativ aufgeladen ist. War Home-Office zuvor mit einem Sehnsuchtsort verbunden, wurde es nun sehr intensiv zusammen mit sozialer Isolation und Einschränkung der eigenen Freiheit erlebt. Etwa 40% empfinden Home-Office als anstrengender und mögliche Karrierebremse. Die Krise bietet aber auch die Möglichkeit für mehr Selbstorganisation, Eigenverantwortung und neue Führungsmodelle – das wird von vielen Arbeitnehmern als eine positive und nachhaltige Veränderung gesehen (Studie der Haufe-Group). Was sich mit Sicherheit sagen lässt ist, dass Mitarbeiter erlebte Vorteile und Freiräume nicht mehr missen werden wollen und damit der Weg in die neue Normalität auch einer in eine neue Arbeitswelt sein wird.  

Versprechen werden auf die Probe gestellt

Im Fokus der Arbeitgeberkommunikation stehen oftmals Leistungsversprechen rund um New Work Themen, die auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer abzielen und ein Bild einer perfekten Arbeitswelt zeichnen. Ob diese Versprechen bereits der Realität entsprechen, wurde spätestens jetzt auf die Probe gestellt. Wie Helmut Schmidt sagte: «In der Krise beweist sich der Charakter». Das gilt vor allem auch dafür, wie Unternehmen in der Krise mit ihren Mitarbeitern umgehen.

Laut dem Corona-Trend-Monitor von Sasserath+ bewerten es 80% der Befragten als (sehr) wichtig in der aktuellen Corona-Krise, den Mitarbeitern das grösstmögliche Vertrauen entgegenzubringen. Bereits zuvor wurde das Verhalten der Unternehmen sehr kritisch betrachtet und durch die Nutzung von Bewertungsplattformen auf eine grosse Bühne gestellt. In der Krise wurden die Spotlights noch etwas heller gedreht. Die Bewertungsplattform Kununu hat mit dem Corona Employer Transparency Ticker dazu aufgefordert, den eigenen Arbeitgeber bezüglich des Verhaltens in der Krise zu bewerten – «Wie geht dein Arbeitgeber mit der Corona-Krise um?». Die gute Nachricht: 79% der Mitarbeiter geben an, dass sie mit dem Handeln ihres Arbeitgebers zufrieden sind. Diese Zufriedenheit bietet kommunikatives Potenzial, das Arbeitgeberimage aufzuwerten.

Haltung, Jobsicherheit und Systemrelevanz als neue Attraktivitätsfaktoren

Die Krise bringt viele Herausforderungen für Unternehmen mit sich – eine extrem beschleunigte Digitalisierung, wirtschaftliche Nöte, erhöhter Druck auf das Gesundheitsmanagement sowie zahlreiche Auflagen. Aber sie bietet auch eine grosse Chance, sich nachhaltig als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Bestimmte Branchen und Berufsgruppen erfahren aufgrund ihrer Systemrelevanz einen Aufschwung an gesellschaftlichem Ansehen und viele Marken können durch intelligente, kreative Maßnahmen eine Imageaufwertung unterstützen. Insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist hier als Beispiel zu nennen. Die kommunikative Inszenierung der besonderen Leistung der Mitarbeiter und der öffentliche Ausdruck von Wertschätzung durch «Danke»-Kampagnen intensivieren die positive Wahrnehmung von LEH-Marken. Aber vor allem konkrete Aktionen, wie z.B. die Ausleihe von Mitarbeitern zwischen Aldi und McDonald‘s, Bonuszahlungen oder die Rabatte von REWE für Kunden aus systemrelevanten Berufen, prägen das Erleben.

Eine grosse Recruiting-Chance besteht auch im öffentlichen Sektor. Laut einer Studie von McKinsey werden 2030 mehr als 730.000 Nachwuchskräfte fehlen. Diesem Mangel könnte man mit einer offensiven Kommunikation, in der man Aspekte der Verlässlichkeit und Sicherheit hervorhebt, entgegentreten. Die Bedeutsamkeit von Jobsicherheit bei der Wahl des Arbeitgebers wird mindestens mittelfristig sehr hoch sein. Laut dem Corona-Trend-Monitor empfinden fast 50% «wirtschaftliche Folgen / Arbeitslosigkeit» als ein langfristig relevantes Thema.  

Bestimmte Branchen und Unternehmen, die bisher wenig Strahlkraft als Arbeitgeber haben, haben die Möglichkeit, ihre Attraktivität durch Sinnstiftung (Stichwort: Systemrelevanz) und Jobsicherheit immens zu steigern, weshalb Employer Branding gerade jetzt nicht vernachlässigt werden sollte.

Das Momentum nutzen

Noch mehr als zuvor kommt der Unternehmenskultur eine besondere Rolle zuteil. Aus allen Routinen geworfen zu werden, bietet die besondere Möglichkeit, Haltung und Prioritäten zu hinterfragen und das Selbstbild zu reflektieren. Unternehmen wird die Möglichkeit geboten, die eigenen Werte glaubwürdig erlebbar zu machen und mit kommunikativen Leuchttürmen das eigene Markenbild langfristig zu prägen. Das Momentum sollte genutzt werden, die Markenidentität als Arbeitgeber – die Employer Identity –  zu präzisieren und aus der Unternehmensvision abgeleitete, sinnstiftende Versprechen zu definieren. Eine differenzierende Employer Identity ist die Basis für eine glaubwürdige Arbeitgeberkommunikation, die Präferenz und Identifikation schafft und damit ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens ist.  

Abbildung 1: Die Employer Identity als Präzisierung der Markenidentität