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Wie man eine exzellente Customer Experience schafft

Gastbeitrag von Uwe Munzinger SM+

Eine exzellente Customer Experience ist für Unternehmen der wichtigste Hebel in der Emotional Experience Economy, um Präferenz für Marken zu schaffen. Der Grund für die wachsende Bedeutung des Themas Experience liegt in der raschen Veränderung der Rahmenbedingungen für Marketing und Markenführung in der zunehmend digitalen Gesellschaft. In der Emotional Experience Economy ist der «Homo Experience» das Mass aller Dinge. Digitaler Darwinismus und verkürzte Aufmerksamkeitsspannen fördern die Entwicklung weg von der rationalen Erwägung (was nutzt es mir?) hin zu spontanen emotionalen Bewertungen (wie fühlt es sich an?) von Marken und Angeboten. Die Summe aller Experiences von Menschen mit Marken, explizite wie implizite, positive und negative, analoge und digitale, selbst erlebte und Erlebnisse aus zweiter Hand prägen unser Bild von Marken und damit unsere Präferenzen. Dabei zählt immer weniger der objektive, rationale Nutzen, den wir aus einem Markenversprechen ziehen, als vielmehr, wie sich eine Markenexperience anfühlt.

Mikro vs Makro Experience Perspektive

In der Praxis ist es sinnvoll, zwischen der Mikro- und der Makroperspektive der Customer Experience zu unterscheiden. Mikro-Erlebnisse sind oft von hoher Intensität und Emotionalität, aber geringer Reichweite. Beispiele sind hierfür die Probefahrt mit dem neuen Tesla Modell oder der Besuch eines Marken-Flagshipstores wie die Volkswagen Autostadt oder die Ritter Sport Schokoladenwelt. Hier werden intensive Erlebnisse mit einer Marke geschaffen, die aber nur eine begrenzte Zahl von Menschen erreicht. Solche intensiven Markenerlebnisse können die Wahrnehmung einer Marke nachhaltig prägen und die Beurteilung der Marke auf anderen Erlebenspunkten beeinflussen. Diesen intensiven Erlebenspunkten mit geringer Reichweite stehen solche gegenüber, die zwar über eine hohe Reichweite verfügen, aber nur eine geringe Intensität und entsprechend flüchtig sind, wie Massenmedien.

Die Makro Perspektive der Customer Experience bezieht sich auf die Gesamtheit der Begegnungen zwischen Menschen und Marken auf den unterschiedlichsten Experience-Punkten. Bei komplexen Dienstleistungsmarken wie z.B. Airlines kann die Zahl solcher Experience Points in die Hunderte gehen. Hier liegt die Herausforderung für die Markenverantwortlichen darin, all die unterschiedlichen Erlebenspunkte so zu orchestrieren, dass sich beim Menschen ein kohärentes Markenerleben im Sinne der erstrebten Markenidentität ergibt. Denn die Customer Experience ist die Summe aller Erlebnisse von Menschen mit Marken.

Diese Komplexität der Customer Experience ist für die meisten Organisationen eine sehr grosse Herausforderung, da sich die Verantwortung für die vielfältigen Experience Points in verschiedenen Unternehmenssilos befindet, die unterschiedlich geführt und incentiviert werden. Die Verantwortung für Marke und Customer Experience liegt meistens beim Marketing. Dieses hat aber wenig bis keine Kontrolle über andere Funktionen, die die Customer Experience maßgeblich beeinflussen. Vertrieb, Kundenservice, IT oder Corporate Communications und manchmal sogar Online-Marketing haben eigene Agenden und Ziele und liegen außerhalb der Einflusssphäre des Marketings.

Auf die Organisation kommt es an: Haltung ist wichtiger als Technologie

Customer Experience Management bleibt trotz höchster Relevanz ein blasses Lippenbekenntnis, wenn es einer Organisation nicht gelingt, das Thema Markenerlebnisse so zu organisieren, dass eine kohärente Experience über Abteilungen und Funktionen hinweg gewährleistet ist. Wenn z.B. bei Car Sharing Anbietern die Kundenhotline aus ökonomischen Gründen so reduziert wird, das Kundenanfragen erst nach sehr langen Wartezeiten bearbeitet werden (wenn überhaupt), kann Marketing hier kaum gegensteuern, sondern eher noch verschlimmbessern.

Was Organisationen oft fehlt, ist eine übergreifende Strategie, die in allen Bereichen implementiert wird. In vielen Unternehmen halten vermehrt meist sehr aufwendige digitale CX-Technologie Lösungen Einzug, die aber oft daran scheitern, dass es nicht gelingt, die relevanten Stakeholder im Unternehmen und deren Interessen in ein System zu integrieren. In deutschen Unternehmen werden CX Projekte vor allem von IT-Abteilungen geleitet, die Geschäftsleitung (5%) ist selten verantwortlich. Außerdem wird Customer Experience nur in 35% der Unternehmen auf C-Level explizit unterstützt. Dieses Bekenntnis ist aber notwendig, um das Commitment der Unternehmensführung in der Organisation zu manifestieren. Im Zweifelsfall ist die Haltung im Unternehmen wichtiger als die beste CX-Technologie-Infrastruktur, um eine echte Priorisierung auf die Customer Experience zu erreichen. Nur dann kann auch das Potential, das in der Künstlichen Intelligenz für die Nutzung von Datensystemen liegt, für die Customer Experience vollständig genutzt werden.

Experience messen und managen

Bevor ein CXM System erfolgreich im Unternehmen installiert werden kann, gilt es drei Dinge zu klären: (1) Zunächst einmal müssen die Ziele der Customer Experience inklusive zu messende KPI`s aus einer Markenperspektive, die sich aus der Markenidentität speisen sollte, definiert werden. Die Markenidentität lässt sich über bewährte Verfahren zielgenau entwickeln. (2) Die notwendigen Verantwortlichkeiten und Ziele müssen Organisations-spezifisch geklärt werden, das Backing der C-Ebene ist aber in jedem Fall notwendig. Ausserdem muss das Bewusstsein und ein System geschaffen werden, wie Buy-In bei allen relevanten Stakeholder Gruppen geschaffen werden kann. (3) Für die Rolle der einzelnen Experience Punkte (Beitrag zu Brand Experience, Relevanz und Reichweite, Qualität, Intensität und Differenzierungskraft) gibt es z.B. das Brand Experience Management System. Innerhalb dieses Systems lässt sich die Rolle der einzelnen Experience Punkte entlang der Customer Journeys exakt bestimmen.

Abbildung 1: Drei Aspekte für ein erfolgreiches CXM System

Fazit

Wir leben in der Emotional Experience Economy und zurecht orientieren sich immer mehr Organisationen im Zuge einer vermehrten Customer Centricity dahin, den Menschen kohärente, sinnhafte Experiences im Sinne der Markenidentität zu verschaffen, die Verhalten prägen. Damit dies gelingen kann, müssen Ziele klar definiert, die Identität klar manifestiert, die Organisation entsprechend aufgestellt, und die Rolle aller Experience Points definiert sein. Erst auf dieser Basis kann ein CXM System erfolgreich installiert werden, und das Potential der Brand und Customer Experience zum Wohle von Organisationen zum Leben erweckt werden.

Über den Autor

Uwe Munzinger ist Gründer und Geschäftsführer von Sasserath Munzinger Plus in Berlin und Vorstand in der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens (GEM). Seit über 30 Jahren forscht und berät er zum Thema Marke. Er begann seine berufliche Laufbahn bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und war bei der Agenturgruppe BBDO der erste Geschäftsführer für strategische Planung und Research. 1996 bis 2006 war er Geschäftsführer und Gesellschafter von Icon Brand Navigation (heute Kantar Added Value) in Deutschland und den USA. Uwe Munzinger ist Autor zahlreicher Bücher im Bereich der Markenführung und Markenkommunikation und Dozent an Hochschulen sowie ausgewählten Weiterbildungsprogrammen.